15. Oktober 2024
Marcus (Bürger Lars Dietrich) und Judy (Judith Richter, hinten rechts) haben einen Faible für die 1950er Jahre. Judys Mutter (Beatrice Richter) findet Nostalgie schlimm und sagt: „Dafür habe ich nicht gekämpft. Foto: Michael Petersohn

Komödie startet in deutscher Erstaufführung

Die Komödie am Kurfürstendamm im Schiller Theater startet am 4. August mit der deutschsprachigen Erstaufführung der Komödie „Zuhause bin ich Darling“ in die Spielzeit 2019/2020. Erst vor kurzem wurde das Stück in London mit dem Olivier Award für die beste neue Komödie ausgezeichnet. Es geht darin um Johnny und Judy, die eine Leidenschaft für die 1950er-Jahre teilen…

In einer Werbung für Pudding textete die Firma Dr. Oetker in den 1950er-Jahren: „Eine Frau hat zwei Lebensfragen: Was soll ich anziehen und was soll ich kochen?“ Niemand nahm damals Anstoß daran. Das Wort „Shitstorm“ war noch nicht erfunden.

Marcus (Bürger Lars Dietrich) und Judy (Judith Richter, hinten rechts) haben einen Faible für die 1950er Jahre. Judys Mutter (Beatrice Richter) findet Nostalgie schlimm und sagt: „Dafür habe ich nicht gekämpft. Foto: Michael Petersohn
Marcus (Bürger Lars Dietrich) und Judy (Judith Richter, hinten rechts) haben einen Faible für die 1950er Jahre. Judys Mutter (Beatrice Richter) findet Nostalgie schlimm und sagt: „Dafür habe ich nicht gekämpft.
Foto: Michael Petersohn

Umso merkwürdiger ist es, dass sich Judy (Judith Richter) und Johnny (Niklas Kohrt) hier und jetzt vorgenommen haben, wie in den 1950er-Jahren zu leben. Ihre Begeisterung für die Nierentischzeit geht so weit, dass Judy für Johnny ihren Job mit besten Karrierechancen und ihr Leben als selbständige Frau aufgibt. Stattdessen legt sie allen Ehrgeiz in das Ziel, die perfekte Ehe- und Hausfrau zu sein. Auch auf moderne Technik versuchen die beiden weitgehend zu verzichten. Wenn Johnny von der Arbeit nach Hause kommt, legt er sein Handy in eine Schublade im Flur. Doch hinter den gebügelten Karo-Vorhängen gerät die häusliche Idylle allmählich außer Kontrolle. Alex (Natalie Mukherjee), Johnnys neue Chefin, ist daran nicht ganz unschuldig. Judys Mutter Sylvie (Beatrice Richter), die ihre Tochter in einer Kommune hat aufwachsen lassen, schämt sich für das Doris Day-Paradies ihrer Tochter und findet: „Für das hier habe ich nicht gekämpft.“ Judys Freundin Franz, eigentlich Franziska (Katrin Hauptmann) und deren Mann Marcus (Bürger Lars Dietrich) haben auch ein Faible für die Fifties, gehen damit aber weitaus lockerer um als Judy und Johnny. Für die beiden ist der nostalgische Rückblick ein schönes Steckenpferd. Franz liebt ihre Arbeit als Stylistin und hasst Hausarbeit. Sie will definitiv keine Küchengöttin sein.

 

Die 50er-Jahre in Ost und West

Schon in den 50er-Jahren gab es, obwohl die Mauer noch nicht errichtet war, eine große Trennung zwischen Ost und West. Während im Osten fieberhaft daran gearbeitet wird, die Ideen des Sozialismus zu verwirklichen und den Arbeiter- und Bauernstaat aufzubauen, werden im Westen Trümmer beseitigt und am Wirtschaftswunder gearbeitet. In der BRD boomt die Wirtschaft, in der DDR jedoch gibt es Versorgungsengpässe, weswegen die Regierung die Normen für die Arbeiter erhöht. Dies führt dazu, dass am 17. Mai 1953 ein Volksaufstand ausbricht, der die gesamte DDR ergreift, und von den sowjetischen Besatzern und der Staatsführung blutig niedergeschlagen wird. Viele Ostdeutsche ergreifen daraufhin die Flucht in den Westen.

Auf dem Speiseplan der jungen BRD stehen Toast Hawai, viele Süßigkeiten und fettiges Fleisch, in den Wohnungen Nierentische und Cocktailsessel. In den Kleiderschränken hängen Petticoats, Hüte und schmal geschnittene Kostüme. Es ist eine Zeit rigider Moralvorstellungen, in der Hildegard Knef mit einer Nacktszene in „Die Sünderin“ einen Riesenskandal provozieren kann. Nachdem die Frauen im Krieg auf sich gestellt gewesen waren, da die Männer als Soldaten an der Front waren, müssen sie nun wieder zurück an den Herd. Die Auffassung, Männer und Frauen seien gleichberechtigt, findet 1954 keine Mehrheit. Beide Geschlechter sind der Meinung, es sei nicht die Aufgabe des Mannes im Haushalt zu helfen. 1957 wird das Gleichberechtigungsgesetz verabschiedet. Nun kann der Mann nicht mehr alleine Wohnort und Wohnung bestimmen und die Frau benötigt nicht mehr das Einverständnis des Mannes, um eine Arbeit anzunehmen. Allerdings gilt das nur eingeschränkt, denn sie ist nur „berechtigt erwerbstätig zu sein, soweit das mit ihren Pflichten in Ehe und Familie vereinbar ist.“

Die 1950er-Jahre sind ein Jahrzehnt der Häuslichkeit. Der Fokus liegt auf der Familie. Nach Feierabend arbeitet man in Haus und Garten. Zu den Lieblingsbeschäftigungen jener Zeit zählen Lesen und Radiohören. Das Fernsehen geht 1952 in beiden deutschen Staaten auf Sendung.

Das Stück

„Home I´m Darling“, wie das Stück in England heißt, wurde in London begeistert gefeiert und mit dem Laurence Olivier-Award 2019 als beste neue Komödie ausgezeichnet. Die Komödie am Kurfürstendamm im Schiller Theater zeigt die Deutschsprachige Erstaufführung.


ZUHAUSE BIN ICH DARLING

Deutschsprachige Erstaufführung am 4. August 2019 (Voraufführungen: 2. + 3. August)
bis 1. September 2019
Komödie am Kurfürstendamm im Schiller Theater